Michael Kasiske Freier Autor

10.10.2008 Bauwelt 38

Schule zu Stadtmöbeln.

Parkgestaltung mit Abbruchplatten in Gröditz

Auf der Bundesstraße 169 saust der Autofahrer suchend durch das sächsische Gröditz, und noch ehe so etwas wie ein Ortskern zu sehen ist, markiert bereits ein Ortsausgangsschild die Stadtgrenze. Wo ist denn der Freizeitpark Wainsdorfer Straße? Der angesprochene Passant ist überfordert, erst das Beharren auf die Existenz eines neuen Grünraums in der Stadt führt zur Entspannung seiner Gesichtszüge: »Ach, sie meinen so etwas Futuristisches mit Platten.« Der Weg ist leicht erklärt, und die offizielle Eröffnung des in drei Bauabschnitten fertiggestellten Parks durch den Bürgermeister wird rechtzeitig erreicht.
 
In der Tat sind aus dem Rückbau gewonnene »Platten« Ausgangs- und auch visueller Schwerpunkt der Parkanlage, die die Berliner Landschaftsarchitektin Christiane Schwarz entworfen hat. Platz wurde durch den Abriss einer Mittelschule aus den 1970er Jahren geschaffen, deren geborgene Bauteile nun als Wände, Trittsteine oder Füllmaterial dienen. Vorausgegangen war eine im Vorfeld des Bundeswettbewerbs »Stadtumbau Ost« 2001 vom Lehrstuhl Altlasten der BTU Cottbus initiierte Untersuchung über bauliches Recycling, in der Studenten die industriell gefertigten Betonteile kategorisiert und ihre Eignung als neues Baumaterial geprüft hatten. Drei Jahre später – die leerstehende Schule war inzwischen wiederholt Ziel von Vandalismus geworden – begann die Demontage und damit die Planung des Freizeitparks. Ausgehend von Stegreifentwürfen eines Erstsemesterseminars an der BTU, deren Frische bei der Gröditzer Bevölkerung großen Zuspruch fand, entwickelte Christiane Schwarz auf dem rund 1,6 Hektar großen Areal Orte, die den Freizeitansprüchen an Sport, Spiel und Rückzug genügen sollen; auch eine benachbarte Schule nutzt den Park.
 
Im ersten Bauabschnitt wurden das »Baumhaus« und der sogenannte »Plattenberg« gebaut, die wie Inseln im hohen und dichten »Grasmeer« aus Chinaschilf liegen, das Lust zum Versteckspiel weckt. Die begrenzende lange Wand mit Sitzbank war Ausgangspunkt für den zweiten Bauabschnitt, der zum einen aus einem mit gelbem Asphalt versehenen Spielfeld besteht, zum anderen – als ruhigem Gegenpol – aus einem Birkenhain, in dem waagerecht ausgelegte, mit roter Farbe imprägnierte Platten als »Sonnentische« dienen. Im letzten und größten Bauabschnitt wurde der Grundriss der ehemaligen Schule wieder erlebbar gemacht, wobei alte Stützen heute Pergolen tragen, während ehemalige Deckenplatten nunmehr Trittplatten sind. Dieser Teil der Anlage, der auch für Veranstaltungen genutzt werden kann, bildet wie einst das Schulgebäude den Mittelpunkt des Geländes. Nach Norden schirmen halbrunde Hügel (deren Kern aus geschreddertem Material besteht) den Park zur Wohnbebauung ab; entlang der Straße markieren versetzt aufgestellte Platten zusammen mit dem Baumbestand eine perforierte Begrenzung.
 
Der Ursprung der Platte wird offensiv gezeigt: Etiketten auf den Bauteilen bezeugen die industrielle Herkunft. Damit glückte der Spagat zwischen der verschwundenen Schule, an deren Erstbezug die ehemalige Leiterin bei der Parkeröffnung in Gegenwart zahlreicher früherer Schüler erinnerte, und einem von allen Generationen mannigfaltig nutzbaren Park. Der ist nicht unbedingt »futuristisch« zu nennen, stellt jedoch eine für die Identifikation mit dem Ort angemessene Form des Weiterbauens dar. Das Erzeugen emotionaler Bindungen ist nicht allein einem buchstäblichen Rekonstruieren vorbehalten
 
 
Freizeitpark Wainsdorfer Straße, Gröditz Landschaftsarchitektin: Christiane Schwarz, Berlin